„Heimaten“ – was ist das? Gibt es eine Mehrzahl von „Heimat“, diesem Wort, das in kaum einer anderen Sprache existiert und mit dem so unterschiedliche Vorstellungen verbunden sind? Auf die fotografische und filmische Suche nach verschiedenen Perspektiven und Bildern zu „Heimaten“ machten sich Jugendliche und junge Erwachsene vom 27.8. bis 3.9. in der BilderBewegungBerlin2016:
Wie riecht und klingt Heimat? Wie sieht unsere digitale Heimat aus oder wie eine gemeinsam erdachte? Gleich zu Seminarbeginn ging es im „Heimaten-Lab“ um die Verbindung von inhaltlicher Diskussion mit fotografischen und filmischen Experimenten.
Mit unterschiedlichen Aspekten, Sichtweisen und Zugängen zu „Heimaten“ in Berlin als Ort von Geschichte und kultureller Vielfalt setzten sich anschließend alle drei parallelen Werkstattgruppen Digitalfotografie, Schwarz-Weiß-Fotografie und Experimenteller Kurzfilm auseinander. Gemeinsam war ihnen die Entwicklung von Konzepten aus einem inhaltlichen Austausch- und Diskussionprozess heraus – verbunden mit praktischen Übungen zu Bildgestaltung und Kameratechnik.
Welche Rolle spielt in einer globalisierten Medienwelt noch Geburts- oder Wohnort? Können Heimaten durch geschichtliche und aktuelle Gesellschaftsveränderungen entschwinden und dabei ihre Bedeutung wandeln? Verändert sich Heimat durch das Smartphone in der Tasche, mit dem das soziale Umfeld ortsunabhängig präsent bleibt? Was bedeutet eine „neue“ oder „zweite“ Heimat, von der in der öffentlichen Diskussion so oft die Rede ist?
Zusätzliche Inspiration für den künstlerischen Arbeitsprozess und seine praktische Umsetzung gaben Martina Plura, Regisseurin, und Monika Plura, Kamerafrau, beim Künstler*innengespräch der #bbb2016. Beide wurden 2015 mit dem Fernsehfilm „Vorstadtrocker“ bekannt und waren Preisträgerinnen bei den Filmwettbewerben des Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrums, dem Kooperationspartner dieses Seminars – und: Beide waren als Jugendliche selbst Teilnehmerinnen von Sommerworkshops im wannseeFORUM und begeisterten die heute teilnehmenden Bilderbewegten durch Fimauschnitte und Berichte über ihren Weg von damals bis zu aktuellen Filmprojekten. Mit dieser Ermutigung und Motivation, eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen, ging es in den Werkstätten weiter:
Mit analogen Spiegelreflexkameras setzten die Teilnehmenden der Schwarz-Weiß-Fotografie-Werkstatt ihre Bildkonzepte um, entwickelten dann die Filme selbst und machten von den entstandenen Bildern Abzüge im Fotolabor für eine gemeinsame Abschluss-Ausstellung.
In der Werkstatt Digitalfotografie bestand eine besondere Herausforderung im Printen der eigenen Fotoserien mit einem professionellen A3-Großformatdrucker für die Ausstellung am Präsentationstag.
Im Experimenteller Kurzfilm wurden die einzelnen Teilnehmenden zu einem Filmteam, das gemeinsam Entscheidungsprozesse über inhaltliche und künstlerische Gestaltungen erarbeite und diese dann vor und hinter der Kamera sowie bei der Filmproduktion am Rechner umsetzte.
Entstanden sind vielfältige Arbeiten zu unterschiedlichen Blickwinkeln auf „Heimaten“.
So fragt „Idem“ (Anm.: von lateinisch idem ‚derselbe‘, ‚dieselbe‘, ‚dasselbe‘) z.B. mit Bildern von eintätowierten Codes nach der Beziehung von Individuum und Gesellschaft. Die Arbeit „Ankommen“ sucht das Gespräch zu „Heimat“ mit einem Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft. Weitere Arbeiten aus der Schwarz-Weiß-Fotografie-Werkstatt greifen Fragen nach der Verbindung zwischen Heimat und Obdach, nach Erinnerung an Herkunft und nach analogem und digitalem Sein im Hier und Heute auf.
Links zu weiteren, auf Flickr veröffentlichten Fotoarbeiten aus der Schwarz-Weiß-Fotografie-Werkstatt:
“Ciao Kakao“ von ArinaChernova, “Hybrid“ von Johanna Eppler, “Ankommen“ von Aline Fuchs, „Heimat(los)en“ von Jessica Kuhn
Die Beziehung zwischen Orten und Vertrautheit, damit verbundenen Erinnerungen, Mobilität, neuen Sichtweisen oder Grenzen z.B. von Sicherheit und Freiheit greifen Serien aus der Digitalfotografie-Werkstatt auf. Berlin spielt mit bekannten und noch zu entdeckenden Räumen dabei eine Hauptrolle.
Maryam Saifi, Link zur Fotoserie auf Flickr
Links zu weiteren, auf Flickr veröffentlichten Fotoarbeiten:
Sarra Dziri, Alex Harbich, Marie-Theres Jung, Björn C. Sindermann
Auch in „Heim-Weg“, dem Experimentellen Kurzfim, wird Berlin zur Bühne für unterschiedliche Sichtweisen, Wahrnehmungen, Geschwindigkeiten und mehr in einer Stadt vielfältiger „Heimat“ bzw. vieler „Heimaten“.
„Wir haben darüber nachgedacht, dass Heimat nicht nur für jeden eine andere Bedeutung hat, sondern auch ein Ort sein kann, an dem man noch nie war, aber schon immer sein wollte und an dem man gerne wohnen würde. Deshalb wollten wir die zwei verschiedenen Charaktere zeigen und wie und wo sie sich heimisch fühlen. Charakter A setzt dabei auf das gewohnte/geliebte Zuhause und Charakter B auf etwas neues, buntes, abenteuerliches.“ beschreibt Marie-Paulin Melzig den Entwicklungsprozess der Filmidee.
Die Auseinandersetzung mit „Heimaten“ wird auch in Zukunft ein spannendes Thema bleiben, denn es verbindet persönliche Erfahrungen, Gefühle und Lebensvorstellungen mit gesellschaftspolitischen Fragen und Wertediskursen in einer sich immer schneller verändernden Welt. Aus der BilderBewegungBerlin bleiben spannende Diskussionen und vielfältige Bilder als Versuch, „Heimaten“ zu erkunden.
Die BilderBewegungBerlin 2016 ist eine Kooperation der Stiftung wannseeFORUM Berlin mit dem Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF)
Zwei Teilnahmebeiträge wurden aus den Mitteln der Stiftung wannseeFORUM finanziert, um geflüchteten Jugendlichen die kostenfreie Teilnahme zu ermöglichen.
Das Seminar wurde gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft
sowie unterstützt mit Technik durch Alex Offener Kanal Berlin und Canon
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