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Jahresbericht 2024 • Kapitel 02

Bericht der Hausleitung

Mit voller Kraft für mehr Demokratie und Menschenrechte

Auf Verschleiß fahren – das kennzeichnete das wannseeFORUM über viele Jahr hinsichtlich des Erhaltens der Liegenschaft. Welch ein Segen, dass die Abgeordneten des Landes Berlin einer Erhöhung der Förderung zustimmten! Gerade noch rechtzeitig, möchte man meinen. Seit langer Zeit war es erstmals möglich auch den „Heimlichen Pädagogen“ des wannseeFORUM, die denkmalgeschützte Unterkunft und den Garten, ansatzweise zu sanieren und so den Ansprüchen an den Betrieb eines zeitgemäßen Übernachtungsbetriebs mit Verpflegung näher zu kommen. Exemplarisch sei hier die Anpassung der Essenausgabe an aktuelle hygienische Standards und die Renovierung der Küche erwähnt. Erste Empfehlungen, die sich aus der Teilnahme am Programm „Roadmap Diversität und Inklusion“ des Jugend.Sprungbrett. Kultur-Netzwerk ergeben haben konnten umgesetzt werden. Der Zugang zum Untergeschoss des Landhauses wurde inklusiv gestaltet. Ein weiteres inklusives Übernachtungszimmer nahmen wir in Betrieb. Dank der Erhöhung war es uns 2024 möglich, weiterhin emanzipatorische, partizipative und inklusive Kinder- und Jugendbildungsangebote in gewohnter Qualität anzubieten. Sogar etwas mehr als in den Vorjahren und unter deutlich besseren Bedingungen für unsere jungen Gäste hier im Haus. Gleichzeitig sahen wir uns mit den Wahlerfolgen der Rechtsextremen konfrontriert und dem starken Anstieg von rassistischen und antisemitischen Gewalttaten in unserer Gesellschaft. Dies führte nicht nur bei Teilnehmenden mit Migrationsbiografie und/oder jüdischem Hintergrund zu Zukunftsängsten, sondern verstärkte generell bei vielen jungen Menschen das Gefühl der Machtlosigkeit. Ein Querschnittsthema für alle Bereiche war daher die Weiterentwicklung von Seminarkonzepten zum Thema Zukunft und zur Utopiefähigkeit. Trotz aller aktuellen Krisen befähigten wir die Teilnehmenden, die zu uns kamen mit den besonderen Herausforderungen unserer Zeit umzugehen und bestärkten sie darin, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Obwohl sich die Verhältnisse, die unseren Alltag bestimmen, immer weiter verschärfen, lohnt es sich Menschenrechte und Demokratie zu verteidigen, für sie zu streiten und einzustehen. Dieser Ansatz stößt auch international auf Interesse. So konnten wir zum Beispiel im Juni  Zhanna Andreasyan die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport der Republik Armenien, und ihre Delegation bei uns empfangen.

 Ein niedrigschwelliger Ansatz, der allen die Teilnahme an unseren Bildungsprogrammen ermöglicht, ist uns dabei besonders wichtig. Internationale Jugendbegegnungen tragen dazu bei, Vorurteile abzubauen. Sie sind eines von vielen Angeboten, mit denen wir rechten Tendenzen entgegenwirken. In 2024 boten wir hier mehrere Veranstaltungen an. Im Rahmen der Akademie für Kinder- und Jugendparlamente und unserer Kooperation mit dem Kinder- und Jugendparlament Charlottenburg/Wilmersdorf kamen junge Menschen aus Berlin, der Slowakei, Polen und Griechenland zusammen, um gemeinsam Ideen zur Umsetzung des EU Youthgoal 3: Inklusive Gesellschaften zu erarbeiten. Das Seminar förderte nicht nur interkulturelles Lernen und stärkte die europäische Identität durch direkte Begegnungen von jungen Menschen. Das Angebot trug auch zur Stärkung der Jugendbeteiligung in Berlin bei, denn die Ergebnisse flossen in den EU-Jugenddialog ein. (Siehe EU NEEDS YOU!). Die kontinuierliche Weiterentwicklung und Implementierung inklusiver und partizipativer Ansätze in der Bildungsarbeit sind uns nicht nur hier besonders wichtig. Es gelang uns die Arbeit mit jungen Menschen aus Berlin mit und ohne Fluchterfahrung fortzusetzen. Die Sensibilisierung für Empowerment von Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrungen konnte so gestärkt werden (Siehe ICH BIN DABEI). Beteiligung blieb eines unserer Kernthemen. Die Seminare für Schüler:innenvertretungen und Schüler:innenpat:innen erfreuten sich auch im Jahr 2024 starker Nachfrage. Mit der Akademie für Kinder- und Jugendparlamente gelang es uns zum Aufbau von eben solchen aber auch Jugendbeiräten beizutragen. Innovative Jugendbildungsarbeit zu machen heißt auch, sich neuen Entwicklungen nicht zu verschließen, sondern die Teilnehmenden dazu zu befähigen damit umzugehen. So fanden zum Beispiel im Fachbereich Neue Medien Seminare zu Künstlicher Intelligenz (KI) und politischer Teilhabe statt. Seit Oktober steht wieder eine volle Stelle für diesen Bereich zur Verfügung.

Frühling im wannseeFORUM

KI zu verstehen und mit ihr zu arbeiten, ermöglichte den Teilnehmenden eigene Handlungsstrategien durch medienpraktisches Lernen zu entwickeln. Handlungsfähig zu sein ist grundsätzlich für die Partizipation an Demokratie. Im Fachbereich Schule und Demokratie kam 2024 daher der Eigenverantwortung von Jugendlichen für ihr Handeln und der Motivation zur Partizipation unter Jugendlichen große Bedeutung zu. Die Stärkung von Demokratiefähigkeit ist vor allem nach Corona und in Zeiten des Gefühls der Machtlosigkeit ob globaler Krisen wichtiger denn je. Der Zusammenhang zwischen dem Gefühl der Machtlosigkeit und dem Ausgeliefertsein und dem Status der eigenen mentalen und körperlichen Gesundheit ist unbestritten. Es liegt daher nahe, dass sich der jugendBEIRAT im von ihm organisierten und durchgeführten pfingstLAB diesem Thema annahm und eine mehrtägige Veranstaltung von Jugendlichen für Jugendliche dazu durchführte. Die Möglichkeit, Selbstwirksamkeit zu entdecken und zu erfahren, gab es nicht nur hier. In Seminaren zum Leben in Berlin griffen wir das Thema Armut auf und bezogen uns dabei auf einen Abschnitt im Bericht der Menschenrechtskommissarin des Europarats zu Deutschland in 2024 zum Thema Schutz vor Armut. Als erneut vom Europarat zertifizierte und ausgezeichnete Jugendbildungsstätte nehmen wir die Themen des Berichts auf und bringen sie in die Bildungsarbeit ein. Und das nicht nur im Rahmen der Seminare mit Freiwilligen, sondern auch, wenn wir junge Menschen aus Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit ins wannseeFORUM zu Angeboten der politischen Bildung einluden. Die bereits erwähnte Erhöhung der Förderung ermöglichte uns die Reaktivierung einer während Corona weggefallenen Pädagogikstelle: Im Oktober schufen wir das Fachgebiet Soziale Frage und politische Teilhabe. Die dort angesiedelte Kooperation mit gangway e.V. trug weiter Früchte. Mit dem Streetcollege und Move the Streets führten wir Seminare in Kooperation durch. Neu hinzu kamen die Kreuzberger Kinderstiftung und MOVE in, ein Projekt für junge Menschen, die ihren Bildungsweg außerhalb der Regelschule finden möchten.

Leider war es uns nicht möglich alle Maßnahmen durchzuführen, die wir im Bereich Antisemitismusprävention geplant haben. Nach dem Terrorakt vom 7. Oktober 2023 hatten wir hier vor mehr Angebote zu machen. Zumindest die Kooperation mit dem Anne-Frank-Zentrum in Berlin konnte dank der Fördererhöhung ausgebaut werden. Waren die Anne-Frank Botschafter:innen bisher bei uns vor allem bei uns als Gastgruppe gebucht, so konnten wir 2024 dank der Erhöhung der Förderung zwei Kooperationsseminare durchführen. Ob die Kooperation auf diesem Niveau fortgeführt werden kann, hängt wesentlich von der Höhe unserer Grundförderung durch das Land Berlin ab.

Die Erhöhung der Förderung und die positive Entwicklung bei der Drittmittelakquise führten dazu, dass wir in 2024 zuletzt Entstandenes verstetigen und neue Gruppen in die Bildungsstätte holen konnten.  Dazu zählen auch junge Menschen mit besonderen Bedarfen, denen wir dank des gesteigerten inklusiven Ausbaus unserer Einrichtung die Teilnahme ermöglichen können. Nicht nur diesen Prozess wollen wir fortsetzen. Beteiligung bleibt eines unserer drei Kernthemen im wannseeFOURM, auf Landesebene und auf europäischer Ebene. Denn wer sich an wichtigen Entscheidungen in Politik und Gesellschaft beteiligen kann und Selbstwirksamkeit erfährt, lässt das Ohnmachtsgefühl hinter sich und ist weniger anfällig für rechte Demagog:innen. Aktuell übersteigt die Nachfrage nach unseren Bildungsseminaren das Angebot. So gilt es, nicht nur bestehende Zugänge zu schaffen, sondern auch weiter Neue zu öffnen.