Begegnung mit einer ganz besonderen Frau
1981 oder 1982 (…ist schon so lange her) meldete ich meine 9. Hauptschulklasse zum Seminar am Wannseeheim für Jugendarbeit an. Ich war jung, hatte das Referendariat und die ersten Jahre an der Hauptschule überstanden. Meine Klasse lag mir sehr am Herzen und es war mir wichtig, meinen Schüler:innen eine intensive und gute Lernerfahrung außerhalb des Hauptschulalltags zu ermöglichen.
Das Glück war auf unserer Seite, denn das Team von Gabi Naundorf bot uns ein Seminar zur politischen Bildung an. Gabi Naundorf, Gabi Heinemann, Michael und Robert kamen in die Schule und stellten sich und ihr Programm vor. Es ging um Freundschaft, um Liebe, ums Erwachsenwerden, um die eigene Rolle als Frau oder Mann.
Das Konzept: Gearbeitet wird in geschlechterspezifischen Arbeitsgemeinschaften, Mädchen mit Teamerinnen, Jungen mit Teamern. Die Lehrer:innen waren nur in die Teamsitzungen eingebunden, den Arbeitsgemeinschaften blieben sie fern.
Was für eine Überraschung! Frauenbewegt und begeistert von feministischen Ideen war auch ich damals, aber die Trennung von Mädchen und Jungen im Lernprozess war für mich neu.
Das Seminar verlief spannend. Mit und in dem Team gab es interessante Diskussionen über Verhaltensweisen und Lernstrategien von Mädchen und Jungen. Wie verläuft die geschlechterspezifische Sozialisation für Jungen und Mädchen? Fragen über Fragen, die in mir während meiner Arbeit als Lehrerin immer wieder auftauchten, konnten besprochen werden. Das Buch von Ursula Scheu: Wir werden nicht als Mädchen geboren – wir werden dazu gemacht – war damals in aller Munde.
Mit Veröffentlichungen von Klaus Hurrelmann zur Sozialisationsforschung, aber auch mit Konzepten der alten Reformpädagogen wie z.B. John Dewey hatte ich mich während meines Studiums sehr beschäftigt.
Und hier gab es nun eine Antwort in praktischer Umsetzung! Am Ende des Seminars präsentierten die Schüler:innen ihre Arbeitsergebnisse. Das war für die Klasse das absolute Highlight. Wir alle konnten erleben, wie wirkungsvoll es ist, wenn Mädchen und Jungen in unterschiedlichen Lerngruppen arbeiten.
Nach dieser Woche war ich motiviert und entschlossen, geschlechterspezifische Bildungsarbeit auch in der Schule im Focus zu haben und umzusetzen. Es war nicht das letzte Seminar am Pohlesee – weitere folgten. Die Begegnung mit Gabi Naundorf war prägend für meine Berufsbiografie und dafür bin ich dem Team und ihr noch heute dankbar. Nicht zuletzt entschied ich deshalb, selbst in der Stiftung ehrenamtlich zu arbeiten, denn ich spürte das Bedürfnis, diesem „Haus“ etwas zurückzugeben.
